Tapezieren und Gedichte interpretieren

Das Modell heißt „Abitur plus Gesellenbrief“.

Diese Woche trainieren Angelina Kretschmer, Elisa Klipphahn und Pia Krauß in der Chemnitzer Azubiwerkstatt von Heinrich Schmid das Streichen und Tapezieren. Nächste Woche geht’s zurück an die Schule: Industrielle Revolution in Geschichte, Texterörterung in Deutsch. Die drei Mädchen, 16 und 17 Jahre alt, leben diesen Rhythmus seit Sommer 2022. Damals haben sie sich auf einen Tausch eingelassen: Sie verzichten auf einen Teil ihrer Ferien – und werden neben dem Schulunterricht zu Malergesellinnen ausgebildet. 

„Nicht nur denken und lernen, sondern auch machen – das gefällt mir hier“, sagt Elisa. Das Modell heißt „Abitur plus Gesellenbrief“. Im Geschäftsbereich Mitteldeutschland sind Angelina, Elisa und Pia die Ersten, die diesen Weg gehen – unterstützt von ihrer Schule, dem Evangelischen Schulzentrum Chemnitz- Hilbersdorf. Rund neun Wochen im Jahr werkeln sie auf Baustellen, zusätzlich zwei Wochen in der Lehrwerkstatt. Dabei werden sie von Anfang an wie vollwertige Azubis behandelt, inklusive anteiliger Vergütung. Pia: „In der Schule kann man nicht wirklich etwas Praktisches machen. Hier war das von Beginn an anders.“

Für die Baustelle klingelt der Wecker oft noch früher als für die Schule. „Ich muss meistens um fünf aufstehen und bin erst gegen 17 Uhr wieder zu Hause“, erzählt Angelina. „Aber das Arbeiten mit den Kollegen macht richtig Spaß.“ Ihr Niederlassungsleiter Ralf Epking berichtet: „Anfangs waren manche Gesellen skeptisch Schülerinnen auf der Baustelle? Aber inzwischen sagen sie: ,Elisa kommt nächste Woche wieder? Super, schick sie gerne zu uns!‘“ Epkings Eindruck: „Die drei sind nicht nur im Abi vorne dabei, sie zeigen auch bei uns vollen Einsatz und große Lernbereitschaft.“ Was nach dem Abi folgt? Elisa und Angelina denken über ein Duales Studium nach, Pia reizt die Meisterschule. Vorher soll es ins Ausland gehen – mit dem Gesellenbrief im Gepäck.